Spezialgebiete

Prächirurgische Diagnostik

Vor einem epilepsiechirurgischen Eingriff wird eine Vielzahl von multidisziplinären Untersuchungen durchgeführt, um herauszubekommen, ob eine Operation überhaupt in Frage kommt, und um abzuschätzen, welche Verbesserungen (auch unter Berücksichtung möglicher negativer Folgen einer Operation) erzielt werden können.

Diese Untersuchungen erfolgen bei allen Patienten:

  • Krankengeschichte („Anamnese“): von dem Patienten selbst und den Angehörigen. Die Angaben einer nahestehenden Person sind vor allem bei Epilepsien mit Bewusstseinsverlust und bei Patienten, die sich selbst nicht gut äußern können (z.B. Kinder, geistig behinderte Personen) unerlässlich, da sie wichtige Informationen über die Anfallsart geben können.
  • Neurologische Untersuchung: eine kurze allgemeine internistische Untersuchung, zusätzlich Untersuchung der Hirnnerven, Prüfung der Reflexe, Testung der Muskelkraft und der Bewegungsabläufe, Sensibilitätsprüfung und Untersuchung der vegetativen Funktionen.
  • Hochauflösende Kernspintomographie („MRT = Magnetresonanztomographie“): es handelt sich um ein bildgebendes Verfahren, bei dem die Patienten in einer Röhre liegen und währenddessen mit Hilfe von wechselnden Magnetfeldern nach einem speziellen Epilepsie-Protokoll Bilder des Gehirns gemacht werden. So können Tumoren, Fehlbildungen oder andere Veränderungen des Gehirns, die Anfälle verursachen können, sichtbar gemacht werden. Durch moderne computergesteuerte Nachbearbeitungsmethoden oder Überlagerung mit anderen Bildmodalitäten können Läsionen dann noch besser dargestellt werden.
  • Routine-EEG-Ableitung mit Oberflächenelektroden („Elektroenzephalographie“): die elektrische Hirnaktivität wird mithilfe von Elektroden auf der Kopfhaut erfasst. Die Art der Wellenmuster kann dabei helfen, die Art der Epilepsie zu bestimmen und die Gehirnregion einzugrenzen, aus der die Anfälle kommen. Durch bestimmte Provokationsverfahren während der ca. 20-minütigen Ableitung, wie Photostimulation (Lichtblitze) und Hyperventilation (tief ein- und ausatmen), können bei manchen Patienten Anfälle ausgelöst werden.
  • Langzeitableitung („Monitoring“) mit Video- und EEG-Aufzeichnung: hierbei verbringen die Patienten einige Tage im Krankenhaus und warten mit am Kopf angebrachten EEG-Elektroden unter Videoüberwachung auf einen Anfall, eventuell werden die Medikamente niedriger dosiert oder ganz abgesetzt. Zusätzlich zu den vorher genannten Provokationsmethoden kann auch Schlafentzug eingesetzt werden, um einen Anfall auszulösen. Die Kombination von Bild und Gehirnwellen stellt in der prächirurgischen Epilepsiediagnostik den wichtigsten Baustein dar.
  • Neuropsychologische Tests: untersuchen wichtige geistige Funktionen, wie das Gedächtnis, die Sprache, die zeichnerischen Fähigkeiten, das planerisch-problemlösende Denkvermögen usw. Die Leistungen in den einzelnen Tests können Hinweise auf den Ursprungsort der Epilepsie geben und bei der Einschätzung der zu erwartenden Verbesserung oder des Risikos einer Verschlechterung der Gehirnfunktionen nach einer Operation helfen.

Die folgenden ergänzenden Untersuchungen können zusätzlich bei bestimmten Fragestellungen eingesetzt werden:

  • Positronen-Emissions-Tomographie ("PET"): dem Patienten wird eine mit einer radioaktiven Substanz markierte Zuckerlösung in eine Vene gespritzt, die es ermöglicht, den Gehirnstoffwechsel bildlich darzustellen. In Regionen, von denen Anfälle ausgehen, zeigt sich zwischen den Anfällen oft ein verminderter Stoffwechsel. Wenn man in der Kernspintomographie keine eindeutige Läsion sieht, kann diese Untersuchung zusätzliche Informationen geben.
  • Iktale und interiktale Photonen-Emissions-Tomographie ("SPECT"): dies ist ebenfalls eine funktionelle Untersuchung, ähnlich einer Szintigrafie, bei der eine schwach radioaktiv markierte Substanz in eine Vene gespritzt wird. Abgebildet wird hier aber die Durchblutung der verschiedenen Hirnregionen. Wenn die Injektion während eines Anfalls erfolgt ("iktale SPECT"), ist die Region, wo der Anfall stattfindet, stärker durchblutet; zwischen den Anfällen ("interiktale SPECT") dagegen weniger stark. Wenn man beide Untersuchungen am Computer übereinanderlegt und voneinander abzieht (subtrahiert), erhält man ein Differenzbild, das den Bereich des Gehirns abbildet, in dem der Anfall sich abspielt.
  • Funktionelle Kernspintomographie (Sprach- oder Motorik-fMRT): bei dieser Untersuchung liegt der Patient in einer Röhre wie bei der "normalen" Kernspintomographie, muss dabei aber Sprachaufgaben bewältigen oder einzelne Gliedmaßen sanft bewegen. Die während der Durchführung der Aufgaben stärker durchbluteten Hirnregionen können so bildlich dargestellt werden.
  • WADA-Test ("intrakarotidaler Amobarbitaltest"): benannt nach Juhn Wada, der diesen Test im Jahr 1949 erstmals beschrieben hat. Im Rahmen einer Angiographie der Hirngefäße wird eine Gehirnhälfte für eine kurze Zeit (3-6 Minuten) durch das Einspritzen eines kurz wirkenden Narkosemittels betäubt, während dessen wird die andere Gehirnhälfte hinsichtlich ihrer geistigen Funktionen überprüft. Es soll herausgefunden werden, welche der beiden Gehirnhälften für die Sprache, die Bewegung oder für spezielle Gedächtnisfunktionen zuständig ist. Dieser Test wird eingesetzt, wenn diese Fragen durch die funktionelle Kernspintomographie nicht eindeutig geklärt werden können.
  • Invasive Video-EEG-Ableitung mit implantierten (eingepflanzten) Elektroden: wenn eine Oberflächen-EEG-Ableitung keine eindeutigen Hinweise auf den Anfallsursprung geben kann, z.B. weil der Epilepsieherd tiefer im Gehirn sitzt, können vorübergehend eingepflanzte Elektroden hilfreich sein. Hierbei werden im Rahmen einer Operation entweder Elektroden direkt auf die Gehirnoberfläche aufgelegt (Subduralelektroden) und/oder nach Planung am Computer durch kleine Bohrlöcher in die Gehirnlappen hineingeschoben (Tiefenelektroden), um die elektrische Hirnaktivität während der anschließenden Video-EEG-Ableitung in der Epilepsie-Monitoringeinheit direkt messbar zu machen. Zusätzlich kann man durch elektrische Stimulation einzelner Elektrodenkontakte genau lokalisieren, wo wichtige Funktionen (z.B. Sprache, Motorik) im Gehirn lokalisiert sind, die bei einer Operation geschont werden müssen. Wenn alle erforderlichen Informationen vorliegen, können die Elektroden wieder entfernt werden.